Was ist ein Spurplanstellwerk?

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Bei Spurplanstellwerken handelt es sich um Stellwerke mit einer speziellen Vorgehensweise bei der internen Verschaltung. Es geht darum, wie geprüft wird, ob alle Voraussetzungen für die Fahrtstellung eines Signals erfüllt sind. Sie grenzen sich hierbei von Fahrstraßenstellwerken ab, die bei diesen Prüfungen andere Wege gehen. Diese Begrifflichkeiten sind grundsätzlich für alle Stellwerksbauformen anwendbar, die größte Relevanz hat sie jedoch bei Relaisstellwerken.

Spurplanstellwerke

Spurplan-Relaisstellwerke haben Relaisgruppen, die über sogenannte Spurkabel miteinander verbunden sind. Die meisten Relaisgruppen entsprechen dabei einem oder mehreren real existierenden Objekten wie Weichen, Kreuzungen oder Signalen. Eine Weichengruppe hat z. B. drei Spurkabelanschlüsse, eine Kreuzungsgruppe vier, eine Fahrstraßengruppe (Beginn und/oder Ende einer Fahrstraße) zwei. Zwischen den Gruppen werden die Spurkabel so gesteckt, dass es dem realen Gleisplan entspricht. (Ergänzend dazu werden einige Relaisgruppen auch direkt an andere mit einem Kabel angehängt. So kann z. B. in der Fahrstraßengruppe ein weiteres Kabel beginnen, welches die Signalgruppen am Standort mit der Fahrstraßengruppe verbindet. Das Prinzip dieser i.d.R. "Signalspur" genannten Verkabelung ähnelt der der normalen Spurkabel, bezieht sich aber lediglich auf Anschaltung oder Ausfall von Lampen bzw. Signalbildern.)

Wenn der Fahrdienstleiter jetzt die Start- und die Zieltaste einer Fahrstraße drückt, sucht das Stellwerk über die Spurkabel selbständig einen Weg von der Start-Fahrstraßengruppe zur Ziel-Fahrstraßengruppe. Die Hilfe, die es dabei von manueller Verdrahtung in Anspruch nimmt, hängt von der Stellwerksbauform ab und ist in der Regel sehr gering. Grundsätzlich sind damit bei Spurplanstellwerken auch alle Fahrwege, die in der Realität existieren, als Fahrstraßen einstellbar - ausgenommen, es ist in bestimmten Situationen explizit unterbunden (z.B. um das Durchfahren von Nebengleisen als Zugfahrt zu verhindern).

Wenn die Fahrstraße aufgebaut ist, meldet die Fahrstraßengruppe am Fahrstraßenziel an die erste Weiche vor ihr "bis zu mir ist so weit alles bereit" und diese meldet dies dann wiederum an das Element vor ihr. So wird die Information "bis hierhin alles bereit" bis zur Fahrstraßengruppe am Fahrstraßenstart durchgereicht, die wiederum den Fahrtbegriff am Startsignal über die Signalgruppe anschaltet. (Im Detail laufen in der Regel aus Sicherheitsgründen mehrere Meldungen zwischen Start und Ziel über die Spurkabel, bevor der das Signal auf Fahrt kommt.)

Freie Schaltungen sind bei Spurplanstellwerken auf ein Minimum reduziert, man benötigt sie z.B. bei der Fahrwegwahl: Wenn es zwischen Start und Ziel mehrere Fahrwege gibt, ist manuelle Schaltung nötig. Im Allgemeinen gibt es allerdings keine Gruppen für eine spezielle Fahrstraße, stattdessen sind Fahrstraßen nur noch ein Schaltungszustand der Gruppen.

Fahrstraßenstellwerke

Fahrstraßenstellwerke haben zwar größtenteils auch Relaisgruppen, die Fahrstraßen sind hier aber explizit über die Schaltung definiert. Hier gibt es also auch explizit eine Relaisgruppe pro Fahrstraße. Um z.B. zu überpfüen, ob eine Fahrstraße verschlossen werden kann, hat man hier für jede Fahrstraße eine Leitung, die über die entsprechenden Relais aller betroffenen Weichen und der feindlichen Fahrstraßen geführt wird. Umgekehrt muss entsprechend vor der Umstellung einer Weiche überprüft werden, ob die Weiche von einer Fahrstraße verschlossen ist. Hierzu kann z. B. eine Leitung über die Verschlussrelais aller Fahrstraßen, die diese Weiche verschließen, geführt werden.

Die Meldung "für diese Fahrstraße sind alle Elemente bereit" muss sich das Fahrstraßenstellwerk also von allen Fahrstraßenelementen zusammensuchen. Im Unterschied zu Spurplanstellwerken bekommt eine Weiche keine Meldung, ob bei ihrem Vorgänger alles OK ist, sondern meldet nur ihr eigenes OK direkt an die Fahrstraßengruppe - beziehungsweise genauer gesagt an ein Kabel der Fahrstraßengruppe, das eben alle Voraussetzungen zur Fahrtstellung überprüft.

Teilweise müssen dabei Überprüfungen doppelt ausgeführt werden, um die Sicherheit zu gewährleisten. Dazu gibt es dann auch mehrere Kabel, die die gleichen oder ähnliche Bedingungen prüfen.

Bei mechanischen und elektromechanischen Stellwerken ist der Aufwand nicht so hoch, weil hier mechanische Bolzen an die Stelle von elektrischen Schaltungen treten. Diese Bolzen müssen nicht doppelt überprüft werden und können sogar gleichzeitig Prüfung auf Festlegebereitschaft und Festleugung selbst sein. Trotzdem meldet auch in diesen Stellwerken die Weiche - in diesem Fall über eine mechanische Stange - an die Fahrstraße(ngruppe), ob sie bereit ist, anstatt diese Information von ihrem topographischen Vorgänger zu beziehen und weiterzuleiten. (Im Detail werden diese mechanischen Schaltungen in elektromechanischen Stellwerken durch elektrische Schaltungen ergänzt, die dann Teile der Aufgaben (etwa die Überwachung der Endlage der Weichen) sicherstellen. In Deutschland sind aber auch diese nach dem Fahrstraßenprinzip aufgebaut.)

Der Aufwand liegt also einerseits daran, alle für eine Fahrstraße notwendigen Informationen kabelmäßig einzusammeln, andererseits darin, Schulussfolgerungen daraus an die Elemente der Fahrstraße zu verteilen. Der Gesamtaufwand steigt dabei mit der Anzahl der Fahrstraßen.

Schlussfolgerungen

Entsprechend verhalten sich Fahrstraßenstellwerke auch anders. Zum einen gibt es wegen des großen Schaltungsaufwands pro Fahrstraße häufig nicht für jeden Fahrweg auch eine Fahrstraße - d. h. auch wenn man vom Gleisplan her von jedem Esig in jedes Bahnsteiggleis einfahren kann, kann das oft nicht signalisiert erfolgen.

Auch bei der Auflösung der Fahrstraßen gibt es Unterschiede. Bei Spurplanstellwerken löst in den meisten Bauformen jedes Fahrwegelement selbst auf, sobald es freigefahren ist. Hierbei können weitere Information einfließen, z. B. ob der Vorgänger auch aufgelöst ist. Bei Fahrstraßenstellwerken spart man sich normalerweise den Aufwand, für jedes Fahrstraßenelement eine eigene Auflösung einzubauen. Stattdessen wird die komplette Fahrstraße in einem Stück aufgelöst, und zwar erst dann, wenn die Fahrt am Ziel angekommen ist. (Auch hier gibt es Ausnahmen, bei manchen Bahnhöfen hat man Fahrstraßen in der Mitte halbiert, sodass die erste Teilfahrstraße bereits früher auflösen kann. Die promineteste und einzige wirklich flächendeckende Ausnahme ist aber das Dr S. Dort werden Fahrstraßen aus vielen Teilfahrstraßen zusammengefasst, so dass hier in der Regel zwei bis drei Weichen gemeinsam aufgelöst werden.)

Durch die wesentlich freiere Projektierung sind fahrstraßenbasierte Stellwerke im Allgemeinen vielseitiger als Spurplanstellwerke. Man kann ohne Probleme weitere Anforderungen, wie etwa die Abhängigkeit zu einem Zollbeamten oder ob eine entsprechenden Fahrdrahtspannung eingestellt ist, realisieren. Außerdem kann man für jede Fahrstraße den Durchrutschweg seperat projektieren. Unter welchen Bedingungen die Fahrstraße einlaufen darf wird bei der Projektierung geklärt. Die Bedingungen können dort beliebig ergänzt oder gar modifiziert oder weggelassen werden.

Spurplanstellwerke sind hingegen nach einem festen Schema aufgebaut. Sofern man nicht in den unzähligen Programmsteckern etwas passendes findet, sind besondere Abhängigkeiten erst einmal nicht umsetzbar. Wenn man dann beispielsweise eine fahrdrahtabhängige Spannungsumschaltung einbauen möchte, muss man wohl oder übel zur Erstellung und Zulassung von speziell für diesen Fall vorgesehenen Relaisgruppen greifen. Einige Stellwerksbauformen sehen dafür Reserveleitungen in den Spurkabeln vor. Wenn die Anforderungen an die Erweiterung überhaupt nicht in das Schema der bisherigen Schaltung passt, wie etwa beim LZB-Teilblock im Sp Dr S600, steht man vor der Wahl, viele oder sogar alle Relaisgruppen neu zu entwerfen (auf dieses Problem angepasst, so geschehen beim MC L 84 N), oder die vorhandenen Funktionen der Bestandgruppen mit Hilfe zusätzlicher Relaisgruppen stark zweckzuentfremden. Im Falle des LZB-Teilblocks im Sp Dr S600 zählt dazu z.B. das Kappen von Kabeln und das Überbrücken der daraus resultierenden Störungsmeldung, oder das prüfen, ob innerhalb einer gewissen Zeitspanne eine Fahrstraße "klassisch" einläuft, bevor man dann Kabel umschaltet.

Außerdem ist es schwierig zu bestimmen, ob die Weichen einer Fahrstraße einen langen oder einen kurzen Durchrutschweg verursachen, weil die Information der Geschwindigkeit zum Zeitpunkt der Fahrstraßenbildung nicht zur Verfügung steht und erst ermittelt werden muss, während sie beim Fahrstraßenstellwerk während der Projektierung sofort zur Verfügung steht. Wesentlich einfacher ist es daher, den Bediener aus verschiedenen Durchrutschwegen einen wählen zu lassen. Bei vielen Bauformen wird die technische Infrastruktur für die Fahrstraßenbildung auch für Durchrutschwege genutzt. Dadurch reduziert sich der zusätzliche Aufwand für Wahldurchrutschwege stark: Während im Fahrstraßenstellwerk für jeden Durchrutschweg eine eigene Fahrstraße notwendig ist, benötigen Spurplanstellwerke oft nur eine zusätzliche Relaisgruppe pro Durchrutschweg-Ende, unabhängig davon, wie viele Fahrstraßen diesen verwenden können. Im Allgemeinen gibt es bei Spurplanstellwerken daher viel mehr Wahldurchrutschwege als bei Fahrstraßenstellwerken. (Ausnahme: Bei der Bauform GS II Sp 64b sind aber verschieden lange Durchrutschwege, die sich nicht an der Weichenstellung unterscheiden, nicht realisierbar.)

Außerdem können Spurplanstellwerke auch (wenn man dies beim Entwurf der Gruppen bereits berücksichtigt hat) viel besser auf bestimmte Situationen reagieren: Wenn eine Zwieschutzweiche beiden Weichensträngen Flankenschutz bieten soll, kann sie einfach ihre Aufgaben an die nächste Weiche / das nächste Signal delegieren und ihren Verschluss aufheben. Bei Fahrstraßenstellwerken ist das Erkennen des Eintretens einer solchen Zwieschutzsituation schwieriger. Wenn man diese Information doch hergeleitet hätte, müsste man aus einem sicherheitsrelevanten Kabel etwas umkuppeln, und das bei jeder in Frage kommenden Fahrstraße. (Das Umkuppeln gilt für Spurplanstellwerke zwar auch, aber dort macht man das nur einmal beim Entwurf der Gruppe und danach geht es in die Massenfertigung.) Daher tendiert man bei Fahrstraßenstellwerken dazu, dass eine Zwieschutzweiche üblicherweise nur in einer Lage (z. B. in Rechtslage) Flankenschutz gibt. Fahrstraßen, die die Weiche in Linkslage benötigen, verschließen sofort ohne Umschweife das hinter der Weiche gelegene Signal. Dies führt je nach Stellwerksbauform dazu, dass Fahrstraßen oder zumindest Rangierbewegungen von diesem Signal aus nicht mehr möglich sind, auch wenn die Weiche gar nicht in Rechtslage benötigt wird. Eine Alternative, insbesondere bei mechanischen Stellwerken, besteht darin, in einer Lage auf eine technisch sichere Auswertung zu verzichten und stattdessen Wecker zu verwenden, um den Bediener auf das Fehlen von Flankenschutz aufmerksam zu machen.

Verbreitung

In der Theorie könnte man sich bei jeder einzelne Funktionalität des Stellwerkes heraussuchen, ob man diese nach dem Fahrstraßen- oder dem Spurplanprinzip realisiert. Man könnte beispielsweise in einem Fahrstraßenstellwerk nur den Flankenschutz durch ein Spurprinzip lösen und den Rest klassisch angehen.

In der Praxis sind jedoch alle Bauformen, deren interner Aufbau öffentlich bekannt ist, klar einem Schema zuordenbar: Praktisch alle mechanischen und elektromechanischen Bauformen sind nach dem Fahrstraßenprinzip gebaut. Lediglich außerhalb von Deutschland gibt es vereinzelt auch mechanische Stellwerke nach dem Kaskadenprinzip, das in einigen Punkten dem Spurplanprinzip sehr nahe kommt. Nach Einführung der Relaistechnik kam in Westdeutschland ab etwa 1960 die Spurplantechnik auf und wurde bald flächendeckend angewendet. In Ostdeutschland gab es erste Stellwerke der Spurplantechnik ab Ende der 1960er Jahre. Nach der Wende setzte man aber wieder hauptsächlich auf Fahrstraßenstellwerke, da man die Bauform GS II DR soweit optimiert hatte, dass sie noch weit bis in die 2010er Jahre hinein neu gebaut wurde.

Man kann in West- und Ostdeutschland bei fast allen Bauformen am Namen erkennen, ob es sich um ein Spurplanstellwerk handelt: bei allen Relais-Spurplanstellwerksbauformen in Deutschland außer dem MC L84, MC L84 N sowie den Spurplanstellwerken der GS III 80xx-Familie, die aller drei sehr spät entwickelt wurden, befindet sich das Kürzel "Sp" im Namen. Bei allen anderen Relaisstellwerken inklusive der Nischenbauformen wie dem EMZG handelt es sich um Fahrstraßenstellwerke.

Der einzige Kandidat in Deutschland, der ansatzweise die Prinzipien mischt, ist das Sp Dr S57/59. Dort funktioniert die Ermittlung der Geschwindigkeit und die Fahrwegwahl (wenn es zwischen zwei Zielpunkten verschiedene Fahrwege gibt) auf Basis von Fahrstraßen, die jedoch über keine wirklichen Gruppen verfügen. Alle anderen Bauformen, auch die Spurplanstellwerke von WSSB und Lorenz, setzen in diesen Punkten auf wesentlich weniger individuelle Vorgaben zum Zeitpunkt der Projektierung und mehr automatische Ermittlung durch Schaltungen zur Laufzeit. Trotzdem setzt auch das Sp Dr S57/S59 für alle anderen, insbesondere auch für die wesentlichen Teile der Stellwerkslogik, auf das Spurplanprinzip.

Bei elektronischen Stellwerken lässt sich ohne tiefe Kenntnis der internen Architektur nichts mehr sagen. Hier ließe sich grundsätzlich auch aus einem Spurplan dynamisch oder zur Projektierung ein Fahrstraßenstellwerk generieren. Grundsätzlich kann man unseren Informationen nach jedoch davon ausgehen, dass die elektronischen Stellwerke viele Funktionen nach dem Spurplanprinzip realisieren.

Auswirkungen auf den Bau

Der Unterschied zwischen "alles zur Projektierung festlegen" und "fast alles durch die Schaltungen machen lassen" schlägt sich auch in den Unterlagen zur Projektierung wieder: Eine wichtige Planungsunterlage für Fahrstraßenstellwerke ist der Verschlussplan: Er gibt an, welche Elemente wie von welchen Fahrstraßen abhängig sind. Die wichtige Planungsunterlage von Spurplanstellwerken ist hingegen der Gruppenverbindungsplan: Er gibt an, von welcher zu welcher Gruppe die Spurkabel gehen.

StellSi geht an dieser Stelle auch den Weg dieser Trennung: Spurplanstellwerke werden im Spurplaneditor anhand eines Gruppenverbindungsplans angelegt. Für Fahrstraßenstellwerke werden spurlose Gruppen angelegt, deren gegenseitige Verschaltung im Verschlussplan angegeben ist. Für einzelne Randfälle können auch die jeweils andere Komponente oder ausschließlich der Parametereditor zum Einsatz kommen, etwa für Selbstblocksignale in beiden Bauformen der Gruppenverbindungsplan, für Nahstellbereiche im Spurplanstellwerk der Verschlussplan, oder für Blockabhängigkeiten der Parametereditor.